
Robert Hardmeyer,
Familien-Emblem von K. W. Bührer, 1903
Das Mono des Karl Wilhelm Bührer
«Als wir jung waren», erinnerte sich der Schriftsteller Carl Seelig, «machten wir eifrig Jagd auf die Monos. Das waren illustrierte Karten, die von den Geschäften an die Kunden verteilt wurden Sie zu sammeln und miteinander auszutauschen, war eine Passion wie das Suchen nach Briefmarken oder nach Schmetterlingen. Schon damals lernten wir das Langweilige vom Phantasievollen, das Triviale vom Neuen zu unterscheiden. Dazu kamen die Plakatwände und Plakatsäulen, die modernen Zeitungen der Strasse. Leider konnte man sie nicht mit nach Hause nehmen.» (APG, 1948).
Die Mono-Karten waren die Vorläufer des künstlerischen Malerplakates In dieser kleinformatigen Reklame erprobten die Künstler, befreit von allegorischem Ballast, die farbliche und räumliche Aufteilung der Fläche Der malerische Einfall stand, ohne die Konkurrenz der Schrift fürchten zu müssen, im Mittelpunkt. Texte wurden auf die Rückseite verwiesen. Im Mono manifestierte sich erstmals der Geschmacks- und Gesinnungswandel, der sich in der Schweiz nach Hodlers künstlerischem Durchbruch allmählich vollzog.
Der Name Mono leitet sich von der auf der Rückseite der Karte stehenden Firmen-Monografie ab, die neben sorgfältig abgefassten Werbetexten stand. Zur Aufbewahrung der Karten konnten Wechselrahmen, Sammelalben oder -schachteln erworben werden. Das Angebot dieses künstlerischen Sammelobjektes reichte von der direkten, mehrfarbigen Firmenwerbung bis zu zweifarbigen thematischen Serien mit historischen, landschaftlichen und architektonischen Sujets.
Die Gestaltung des Monos übernahmen junge Maler wie Cardinaux, Gilsi, Hardmeyer, Hohlwein, Mangold, Moos, Schaupp und Stiefel. Namen, die in der Frühzeit des Schweizer Plakates wieder auftauchen werden.
Erfinder und Organisator dieser neuartigen Werbung um 1905 war der Ostschweizer
Karl W. Bührer (1861-1917), Gründer und erster Redakteur der Halbmonatsschrift «Die Schweiz», die während fast 20 Jahren als die führende literarische und künstlerische Zeitschrift der deutschen Schweiz galt kurze Zeit später gründete Bührer die «Internationale Mono-Gesellschaft Winterthur».
1908 liessen sich auch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) für das Mono gewinnen und brachten unter dem Titel «Mit Künstleraugen durch die Schweiz» über eine Million Karten heraus. Ihrem Beispiel folgten der Verkehrsverein Bern und die Berninabahn. René Thiessing, Leiter des SBB-Publizitätsdienstes, über die Mono-Karten «Dank ihrer
bestrickenden Formel und der faszinierenden Beredsamkeit ihres Begründers und Apostels
K. W. Bührer trug sie diesem bemerkenswerte Anfangserfolge ein.»
Trotz zeitweiser Ausbreitung seiner Karten auf Deutschland und Österreich war der kaufmännische Erfolg gering. Die Schwierigkeiten dieses Schrittmachers der modernen Künstlerreklame beklagte C. A. Loosli in seiner Cardinaux-Monografie : «Wie alle seine Landsleute, die auf irgendeinem edelkulturellen Gebiete über den Tag und dessen kurzfristige Anforderungen hinaussehen, wurde Bührer, weil unverstanden, nur lau unterstützt, endlich fallen gelassen, womit auch seine Gründungen bald darauf in sich zusammensanken, und er selber genötigt ward, seine Tätigkeit ins Ausland zu verlegen.»
Das Weltformat
Enttäuscht von der Schweiz zog Bührer nach dem Zusammenbruch seiner Mono-Gesellschaft nach München und gründete 1911 die «Brücke». Mit der 1905 entstandenen Gemeinschaft, in der sich um die Expressionisten Kirchner und Heckel wahlverwandte Künstler gruppierten, hat Bührers Gesellschaft nur den Namen gemein. Seine «Brücke», deren weitgespannte Pläne durch seinen Tod und den Weltkrieg unverwirklicht blieben, sollte sich mit ihrem Kampf für ein Weltformat bleibend um das Schweizer Plakat verdient machen.
Das Weltformat, wie es «Brücke»-Mitarbeiter und Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald
definierte und wie es in «Das Plakat» (4/1913) vorgestellt wurde, geht von der
Diagonalen des Quadratzentimeters aus (Wurzel 2 = 1,414) Weltformat I hat die Masse
1 x 1,41 cm, Weltformat X, als Briefbogen gedacht, misst durch Verdoppelung des
jeweils kleineren Formates 22,6 x 32 cm und Weltformat XIV schliesslich,
90,5 x 128 cm, sollte zum Schweizer Plakatformat werden. Bührer wurde
im gleichen Text so gewürdigt : «Was Gutenberg auf einem Teilgebiet erdacht hat,
das ist von dem genialen Schöpfer der Brückenidee, dem bescheidenen Schweizer
Karl Wilhelm Bührer, auf hundert Gebieten, alle menschliche Tätigkeit umfassend,
erdacht worden.»
Margadant, Bruno, L’Affiche suisse 1900-1983, Birkhäuser, 1983, Bâle
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